Geschichte
Geschichte Giesendorfs von Heinrich Schläger (Kulturreferent des Kreises Bergheim)
entnommen aus der Festschrift zum 850jährigen Dorfjubiläum (1966)
Neben den stattlichen bäuerlichen Altdörfern mit ihren Großhöfen und ausgedehnten Gemarkungen sowie den namentlich im letzten Halbjahrhundert durch spezielle wirtschaftliche Entwicklungen zu Großdörfern gewachsenen Orten gibt es im Kreise Bergheim zahlreiche kleinere Dörfer, die selbst in ihrer engeren Nachbarschaft geflissentlich unterbewertet werden. Prägt sich dem Ortsfremden solch kleine Ortschaft nicht etwa durch ihre Lage an einer großen Verkehrsstraße ein oder macht nicht zumindest ein in der ebenen Landschaft weithin sichtbarer Kirchturm auf die sich um ihn scharende Haus- und Gehöftgruppe aufmerksam, so bleibt sie für ihn nur auf der topographischen Karte existent, wird ihr Name dem Durchreisenden lediglich durch das Ortsschild flüchtig bewußt. Dabei bilden die kleineren Dörfer im Gesamtgefüge der heimischen Landschaft eine nicht mindere persönliche Eigenheit als ihre qrößeren Nachbaren.
Zu dieser weniger augenfälligen Dorfgruppe gehört auch Giesendorf. Es liegt weder an einer großen Verkehrsstraße – die Bundesstraße Köln - Aachen führt nördlich in etwa einem Kilometer Abstand vorbei – noch macht ein die Häusergruppe überragender Sakralbau auf die dörfliche Siedlung aufmerksam. Es ist weder Kirchort – sondern seit je der Nachbarpfarre Elsdorf zugehörend, noch selbständige Gemeinde – sondern als Ortschaft Bestandteil der Gemeinde Heppendorf. Als solche wird eine eigene Giesendorfer Gemarkung katastermäßig ebenfalls nicht ausgewiesen. Der Bereich der Ortsflur ist jedoch für 1767 mit etwa 125 Hektar veranschlagt. Da damals in unseren rein bäuerlichen Bereichen die Größe der Dörfer ausschließlich von der Größe ihrer Gemarkungen abhängig war, ist auch seine Einwohnerzahl zu jener Zeit mit 182 Einwohnern entsprechend gering. Hinzu kam, daß ein Teil der heutigen Feldflur noch nicht ackerwirtschaftlich genutzt war, sondern wie die Eintragungen in der Urkarte von 1826 ausweisen, noch ab Hutweide diente. Es handelt sich hierbei um das Gebiet westlich Giesendorf zwischen dem Ortsausgang und der Straße nach Etzweiler, heute noch, obwohl längst unter den Pflug genommen, mit der charakteristischen Katasterbezeichnung „Giesendorfer Heide" belegt, in die 1826 noch ein kleiner Waldrest eingeschlossen war. Ein kleines unmittelbar an das Dorf angrenzendes Flurstück ist zur damaligen Zeit als "Heidencamp" (Heidefeld) bezeichnet. Südlich Giesendorf schloß sich an die Flur „In der Kappeshütten" die Flur „Im Huppelrath " an. Hier wird durch diesen Rodungsnamen (rath = Rodung) ein früherer Waldbestand bezeugt. Nach Osten führte die Dorfstraße durch die nach dem hier außerhalb der geschlossenen Dorflage vorgeschobenen Hof benannten Flurbezirke „vorm hoff" und „hinterm hoff" weiter in die sich nach Grouven erstreckenden Felder „An der Wiedmaar“.
Dieser Name überliefert uns den Altbestand eines früher hier gelegenen Weihers, einer Maar. Der Weiher wurde von einem kleinen Wasserlauf gespeist, der die Oberflächenwasser des benachbarten Bürgewaldes, an den hier noch das „Elsdorfer Rott " erinnert, abführte und als „Giesendorfer“ Fließ“ das ganze Dorf der Länge nach von West nach Ost durchzog. Von der Wiedmaar aus floß er dem östlichen Geländefall folgend als Grouvener Bach weiter. Da das Fließ auch innerhalb des Dorfes vor einzelnen Gehöften zur Wasserversorgung als Tränk-, Brand- und Fischweiher genutzt wurde, von denen sogar in der revidierten Karte von 1868 noch drei große und zwei kleinere Weiherreste ausgewiesen werden, erklärt sich daraus der außergewöhnlich breite Abstand der beidseitigen Bebauung und damit das im Kreisgebiet noch heute einzigartige Giesendorfer Dorfbild. Bei einer Länge von rund 900 Metern stand nach Verfüllung der Weiher in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts für diese Dorfstraße „im oberen Giesendorf" eine Breite bis zu 56 Meter, „im mittleren Giesendorf" 44 Meter und „im unteren Giesendorl" 21 Meter zur Verfügung. Diese Einzelbezeichnungen der langen Dorfzeile für drei besondere Abschnitte sind ebenfalls der alten Katasterkarte entnommen, waren also in der Mitte der vorigen Jahrhunderts die amtlichen Markierungen innerhalb der langgestreckten Dorflage.
Mittlerweile sind die Weiher im Dorfinnern restlos verschwunden, blieben jedoch beidseits die alten Bebauungslinien erhalten. Im Zuge der neuzeitlichen Straßenanlage wurden die nun zu beiden Seiten anfallenden Flächen von den Anliegern in Gärten und Anlagen umgewandelt. Daraus ergibt sich der Sonderfall, daß Gehöfte und Häuser auch heute, außer im unteren Dorfteil, durchweg nicht unmittelbar an die Dorfstraße angrenzen sondern von dieser zumeist weit zurückgesetzt sind. Gegen die Feldflur wurde das Dorf noch in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts durch zu beiden Längsseiten ungefähr parallel der Dorftraße verlaufende Gassen mit Grünhecken rückwärts klar abgegrenzt. So bildete die Dorfstraße mit ihren Weihern und dem Fließ noch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, in der noch keinerlei Ausbau an den aus dem Dorfe führenden Wegen erfolgte, dessen Dominante und präsentiert es selbst heute noch trotz aller jüngerer Zutaten als geschichtlich gewachsenes Einstraßendorf besonderer Prägung.
E i n D o r f g r ü n d e r n a m en s G y s o
Schon die kurz skizzierten örtlichen Gegebenheiten des engsten Giesendorfer Raumes mit Waldresten und Heide, dem Giesendorfer Fließ und den Weihern deuten auf die urtümlichen Voraussetzungen solcher Dorfgründung und die Entwicklung hin. Ziehen wir den mittlerweile eingehend erforschten archäologischen Befund der Giesendorfer Fluren heran, dann wird klar, welchen Faktoren Giesendorf seine Gründung und eigenständige Entwicklung verdankt. Westlich Giesendorf schneidet die heutige Straße nach Etzweiler die bereits erwähnte Giesendorfer Heide. In ihr treffen wir noch heute zwei ausgedehnte römische Trümmerstreuungen, die beweisen, daß hier in römischer Zeit zwei große Gutshöfe vorhanden waren. Als die Franken im 5. Jahrhundert unsere Heimat in Besitz nahmen, ließen sie allenthalben das ihrer Kultur nicht gemäße römische Bauerbe, soweit es nicht bereits bei der Eroberung des Gebietes zerstört war, vollends verfallen. In den nächsten Jahrhunderten bemächtigte sich der Waldwuchs dieser ungenutzten Flächen. Den neuen Herren war nur an den zu diesen Gehöften gehörenden, zuvor in Kultur genommenen offenen Flächen gelelegen, in denen sie ihrer Kultur gemäße Gehöfte oder kleine Gehöftgruppen errichteten. Bei der Wahl des Standortes war die Bach- oder Wassernähe, die die Anlage von Brunnen ersparte und gleichzeitig notwendigste Voraussetzungen für hausnahe Weiden bot, entscheidend. Bei Giesendorf waren diese Ansprüche in bester Form erfüllt. Hier standen sowohl Felder der ehemaligen römischen Herren wie günstige Wasserverhältnisse zur Verfügung. Gleichzeitig konnte der Wald zunächst in die ungenutzten Flächen ungestört vorrücken, und daraus wird auch die später bezeugte unmittelbare Waldnähe am Dorfrand verständlich. Als schließlich auch die mittlerweile bewaldeten Flächen der ehemaligen römischen Gutshöfe in Anspruch genommen wurden, waren diese mit Trümmern übersäten Flächen für einen Feldanbau mit den primitiven Mitteln vergangener Jahrhunderte nicht geeignet und blieben daher als Heideflächen liegen.
frühe Grabanlaqen beschert. Die Bauspuren aus der Frühzeit des Dorfes dürften indessen längst vergangen sein. So bleiben wir bis zum Einsetzen zuverlässiger Schrifturkunden nur auf Vermutungen angewiesen. Dabei können wir für die voraufgehende Zeit lediglich von dem Namen Giesendorf = Gyso-dorf, (Dorf eines Gyso als Personennamen) ausgehen. Nun bezeichnete man in der Frühzeit - etwa vom 9. Jahrhundert ab, mit Dorf sowohl das Dorf als Gehöftgruppe wie außerdem das einzelne Gehöft oder Landgut mit einigen zugehörigen Hofeshöriqen. Da Giesendorf dem Namen nach der in dem Raume links der Erft so zahlreichen Gruppe von -dorf-Orten in Verbindung mit Personennamen zugehört, ist zunächst einmal anzunehmen, daß diese alle um die gleiche Zeit entstanden sind. Zwei von ihnen - Elsdorf und Kirchtroisdorf - weisen sich sogar durch entsprechende Grabanlagen als fränkische Dorfgründungen aus. Von anderen, wie Heppendorf, Angelsdorf, Paffendorf, Kirdorf. geben schriftliche Urkunden bereits um das Jahr 1000 Kunde. Sie waren also damals bereits nicht nur vorhanden sondern hier sind in dieser frühen Zeit bereits wichtige örtliche Vorgänge der schriftlichen Fixierung wert. Dabei weist die Wahl e-inzelner Pfarrpatrone (z. B. Willibrordus in Kirdorf, Pankratius in Paffendorf, Dionysius in Heppendorf) die Zeit ihrer Entstehung noch weiter zurück. Leider hat es Giesendorf in der Enge seines Raumes nicht zur Pfarrwerdung gebracht, so daß hier nicht analog geschlossen werden kann. Aber die Gesamtsituation ist für Giesendorf als -dorf-Ort die gleiche, so daß es ohne Vorbehalte den Altdörfern des Kreises zugerechnet werden darf.
Erstmalig als Gisindorp genannt
Für sein hohes Alter spricht nicht zuletzt seine erste Nennung aus dem Jahre 1135, und zwar nicht nur im Hinblick auf das Alter sondern auch auf den Inhalt der Beurkundunq. Die Äbtissin Gepa des St. Ursulastiftes in Köln zeichnet nämlich auf, welche Gefälle sie dem Kloster teils wiedergewonnen teils angekauft hat. Dabei ist u. a. ein Hof mit 3 Mansen (= 180 Morgen) in "Gisindorp" und eine weitere Abgabe von 5 Solidi und 1 Malter Weizen an Gefällen aus Giesendorf genannt, wozu sie auch 15 Morgen Wald im "Husholce" – nach dem Volksmund beim heutigen Elsdorfer Rott, ehemals Bürgewald gelegen – von St. Georg in Köln gekauft hat. Die Urkunde ist eine persönliche Fixierung der Äbtissin ohne Zeitangabe und Sieqel. Das Datum der Beurkundung ist nach einer anderen Urkunde des Stiftes von 1135 bestimmt, in der Gepa als dessen Äbtissin genannt ist. Der Hof erscheint wiederum in einer Urkunde von 1398 im Besitz von St. Ursula. Es handelt sich diesmal um ein Notariatsinstrument, das die Entscheidung des Erzbischofs Friedrich III. Graf von Saarwerden, in dem Streite zwischen Äbtissin und Kapitel von St. Ursula enthält, daß der Hof in Gisendorp der Äbtissin zusteht. Aus dem Jahre 1222 überliefert uns eine erneute Aufzeichnung der Gefälle für St. Ursula, die aus Giesendorf zu entrichten waren. Hiernach hat das Kloster mittlerweile weitere Zehntabgaben dortiger Ländereien erworben. Diese alten Giesendorfer Besitzungen und Einkünfte werden in den Protokollbüchern und Kellnereirechnungen des Kölner Stiftes bis 1799 regelmäßig aufgeführt.
Aber das St. Ursulastift war keineswegs der einzige geistliche Besitzer in Giesendorf. Im Jahre 1263 verkaufen die Gebrüder Johann und Adam von „Gisdorp" dem Scholaster Andreas von St. Severin ein Haus und eine Hofstätte mit 30 Morgen Ackerland, lehnrührig von der Abtei St. Pantaleon und abgabepflichtig an den abteilichen Hof in Brockendorf. Zusätzlich verkaufen sie weitere 8 Morgen Land bei „Gisdorp", das dem Severinstift lehnpflich tig ist.
Von den Kölner Stiften und Klöstern hatten ebenfalls zeitweise St. Andreas, St. Apern, St. Gereon, St. Mauritius, Klein Nazareth, St. Severin und Kloster Sion aus Giesendorf bescheidene Einnahmen aus Abgaben und Renten von kleineren Besitzungen. Als Beispiel für die Art des Erwerbs solcher Einkünfte sei hier eine Urkunde von St. Gereon vom 16. Juli 1580 kurz angeführt. Hiernach verkaufen Babara von Hetzingen, Witwe des Johann von Reuschenberg sowie ihre Kinder Johann, Agnes und Elisabeth den Eheleuten Adam Rulandt und Maria Haestein vor den Schöffen in der Lohe 12 Gulden Erbrente, d. h., eine Rentenforderung von jährlich 12 Gulden. Hierfür setzen sie zum Unterpfande 8 Morgen Ackerland „am grünen Weg nach Desdorf." Diese Forderung wird wenig später von St. Gereon übernommen, dem nun diese Zinseinnahme aus Giesendorf zufließt.
Aber die meisten Auskünfte über die ehemaligen Verhältnisse in Giesendorf, nicht zuletzt auch über ständische Verhältnisse und Personenklassen liefern
uns die Urkundenbestände der Kölner Abtei St. Pantaleon, einer Stiftung des Ottonischen Königshauses aus der Mitte des 10. Jahrhunderts. Diese besaß im westlichen Kreisgebiet bereits um 1100 als größten den Hof in Oberembt - die Herkunft ist nicht zu ermitteln –, zu gleicher Zeit bereits den Hof in Esch, dessen Einkünfte größtenteils für das Armenhospital der Abtei bestimmt waren. Im Jahre 1116 kaufte sie den Hof zu Brockendorf und um 1220 den Hof zu Elsdorf. Daneben hatte sie größere Besitzungen in Angelsdorf, Lich und Kalrath, die ebenfalls vor 1100 erworben wurden.
In einer. Urkunde der Abtei wird 1166 in der Reihe der Zeugen erstmalig ein Giesendorfer mit Namen genannt: Thitmarus de Gisendorp. Die übrigen Zeugen sind jeweils einer aus Sindorf, Oberembt, Esch (letzterer ausdrücklich als Hofesverwalter bezeichnet) und Elsdorf. Offensichtlich handelt es sich hierbei ausschließlich um örtliche Verwalter von Besitzungen der Kölner Abtei in diesen Orten, also besonders Vertraute. Dieser Gruppe, dürfen wir demnach auch den genannten Thitmarus aus Giesendorf zurechnen. Einen weiteren Giesendorfer in wohl gleicher Funktion treffen wir in einer Urkunde aus dem Jahre 1316, wo unter den Hofesschöffen des Hofes/ zu Esch als Zeuge „Bertolphus genannt de Gysendorp" für St. Pantaleon als Zeuge amtiert. Dieser Bertolphus erscheint bis 1323 noch mehrfach in gleicher Stellung.
Ritter Cuno von Giesendorf
Im Jahre 1326 ist für die Abtei St. Pantaleon Zeuge eines Erbvertrages über 21 Morgen in Esch ein Cono de Gysendorp, Ritter. Das vermerkte Eigensiegel dieses Giesendorfers, der als Ritter ausgewiesen wird, ist an der Urkunde nicht mehr vorhanden. Als Ritter gehört er einem besonderen Stande, dem sogenannten niederen Dienstadel an, der sich meist aus dem Treueverhältnis zu einem Landesherrn entwickelte. Schon weit früher, bei dem bereits erwähnten Verkauf im Jahre 1263, wird uns erstmals ein „Cone de Gisdorp" (so!) – jedoch nicht mit dem Prädikat eines Ritters – neben einem Bruno de Grouve als Zeuge beim Verkauf des Hauses und der Hofstelle in Giesendorf mit 30 Morqen Ackerland durch die Gebrüder Johann und Adam de Gisdorp, lehnrührig in den Hof von St. Pantaleon zu Brockendorf, genannt. Die beiden Brüder verkaufen gleichzeitig acht Morgen Ackerland bei Giesendorf, das dem Severinsstift in Köln lehnrührig ist. Eine Verbindung zwischen diesem früheren Cuno (Cono oder Coene sowie Conyghin sind in der damaligen Schreibweise verschiedene Formen des gleichen Namens Kuno oder Konrad) mit dem späteren Ritter Cuno von Giesendorf ist urkundlich nicht ersichtlich.
Uber die familiären Verbindungen des Ritters Cono van Gysendorp gibt uns eine Urkunde aus dem Bestande von St. Pantaleon vom 8. März 1357 nähere Auskunft. Nach dieser verkaufen die Eheleute Coene van Gysendorp und Geirdruyt eine Hufe (etwa 60 Morgen) Ackerland an einem Stück zwischen Wiedenfeld und Panhusen gelegen, nebst ihrem Zehnten an die Abtei St. Pantaleon. Neben Coene van Gysendorp, Ritter, siegeln Henrich van Gysendorp, (hier nicht als Ritter, jedoch später als Knappe ausgewiesen) und Adam von Laach, Ritter, Schwager Cunos, sowie Wynrich von Vischenich, Ritter, und Reinard von Asperschlag, Knappe, beide Verwandte Cunos. Die angeführten Verwandten des Cuno gehören also alle dem Ritterstande an.
Über den Stand des in dieser Urkunde genannten Henrich van Gysendorp erhalten wir 1375, als ein Christian van Gysendorp als Sohn des Knappen (= ein ritterbürtiger Jungmann, der nach der Ritterwürde strebte) Henrich des Roeden (= Roten) van Gysendorp genannt wird, nähere Auskunft. Daß dieser Heinrich ebenfalls in einem Sonderverhältnis zu Pantaleon stand, ergibt sich aus mehrfachen Bezeichnungen als Hofesschöffe zu Esch. Weiteren Aufschluß über den Ritter Cuno von Giesendorf liefert uns eine Urkunde von 1352, nach der die Knappen Conradus, Gibelo und Wernerus de Elstorff, Söhne des Conradus de Brockendorff, ihren Hof mit dem Haus zu Gysendorp bei dem Weiher des Conradus de Gysendorp, gegenüber dem Walde gelegen, sowie 7 Morgen Ackerland der Abtei St. Pantaleon für Pachtung des Elsdorfer Hofes zum Unterpfand setzen. All diese Bruchstücke können zu einer exakten Familiengeschichte des Ritters von Giesendorf nicht genügen. Aber sie machen deutlich, daß es sich um den Abkömmling einer altfreien Familie mit Haus und Hof in Giesendorf handelt, der dem Ritterstande angehört und in ein abhängiges Vasallenverhältnis getreten ist. Letztere Stellung bestätigt uns eine Urkunde des Kölner Andreasstiftes, in der am 10. September 1354 „Kone van Gysendorp" , als Drost (Amtsverwalter) zu Bergheim siegelt. Die Herren zu Bergheim (eine Nebenlinie der Jülicher Gra.fen) hatten selber bereits 1243 Güter bei Giesendorf. Im gleichen Jahre überträgt nämlich Walram, Herr zu Bergheim, Bruder des Grafen Wilhelm zu Jülich, dem Bischof zu Lüttich seine Güter bei Thorr, Giesendorf (Ginsindorp) und 3 Mühlen bei Bergheim zu Lehen und erhält sie gegen eine jährliche Abgabe zurück. Uber diese Giesendorfer Besitzungen der Bergheimer Landesherren sind außer dieser einmaligen Beurkundung (im Lütticher Stadtarchiv) keine weiteren Erwähnungen bekannt.
Letztmalig erscheint Ritter Cuno von Giesendorf am 24. September 1371 unter den 8 Sieglern einer Urkunde des Kölner Gereonstiftes. Zwei Jahre zuvor hatte ein Godart von Giesendorf, genannt Mulstroe, eine Urkunde für St. Severin besiegelt. Dieser Godart dürfte nach der Linie Mulstroe ebenfalls dem Ritterstande und der Familie des Cuno von Giesendorf angehört haben. Hingegen erfahren wir von der Familie des 1357-1375 genannten Bruders des Cuno, des Knappen Henrich van Gysendorp und dessen Sohn Christian, nichts mehr. Die Familie von Giesendorf scheint ausgestorben oder abgewandert, wobei dann die Angehörigen der damaligen Sitte folgend fortab den Namen ihres neuen Sitzes annehmen. Am 23. Juni 1412 ist als Äbtissin des Klosters Blatzheim noch eine Gesa van Gysendorp genannt.
In seinem Amte als Drost zu Bergheim folgt dem Cuno von Giesendorf ein Conighyn van Ruischenbergh. Die Reuschenberg,er scheinen jedoch mehr als lediglich Erben des hohen Bergheimer Amtes des Giesendorfers geworden zu sein. Hier bestanden, wie zahlreiche Urkunden erkennen lassen, enge verwandtschaftlicbe Beziehungen. So nennt Cuno von Giesendorf 1326 den Theodoricus de Runkart, Schultheiß des Hofes zu Esch, seinen Onkel. Der gleiche Runkart ist 1336 wiederum als Bruder des Gerardus von Reuschenberg bezeichnet. So begegnen wir einem großen Familienverband, dessen Mitglieder die Güter zu Esch, Reuschenberg, Giesendorf innehaben. Darauf scheint auch der so häufige Vorname Cuno hinzudeuten, der für die Reuschenberger und Giesendorfer zu jener Zeit fast als Leitname anangesprochen werden kann. Nicht zuletzt aber mag auch das nahezu einheitliche Familienwappen der beiden Linien auf enge familiäre Zusammenhänge hindeuten. So führen die Reuschenberger in ihrem Siegel einen durch 3 schwarze Vögel überhöhten schwarzen Querbalken, die Giesendorfer das gleiche Siegel mit der unterscheidenden Zutat, daß sie den Querbalken mit einer sogenannten Gleve, einer stilisierten Lilie, beleqen. Eine zu den Rittern von Troisdorf hinüberreichende weitere Verbindung kennzeichnet sich im gleichen Reuschenberger Siegel, nur dadurch unterscheiden, daß hier der Querbalken nicht geschlossen sondern gegittert ist.
Der Reuschenberger Hof
In den unbestrittenen Besitz ihres Giesendorfer Hofes kommen die Reuschenberger in der Einigung in einem Rechtsstreit zwischen Conraedt van Ruyschenbergh und der Kölner Abtei St. Pantaleon, im Jahre 1448. Der Reuschenberger erhält 9 Morgen Ackerland bei Reede (Lützelroede = Rodung bei Elsdorf) mit anderen Gütern. Darunter namentlich den Hof zu „Gysendorp", wovon sie bisher 15 ½ M. Roqqen jährlich zahlten. Sein Sohn Johannes nennt sich fortab Herr in Reuschenberg und Giesendorf. Der zweite Sohn Cuno von Reuschenberg begründet durch Heirat die für das Jülicher Land bedeutend gewordene Linie Reuschenberg-Setterich. Unter den Sieglern der Einigung mit St. Pantaleon erscheint u. a. ein Roboil (auch Robell) van Gysendorp als Vogt zu Berqheim. Dieser Giesendorfer war am 29. Sept. 1439 mit Genehmigung des Herzogs Gerh. von Jülich-Be.rq durch Übertragung von Volequin van Hollant an das Bergheimer Vogtamt gekommen. Er erscheint fortab in zahlreichen Urkunden, darunter des Gerichtes in der Lohe, zu dem auch Giesendorf gehörte und in dem er für den Amtmann den Vorsitz hatte. Als Vogt führte er allgemein die Geschäfte der niederen Gerichtsbarkeit. Seine Giesendorfer Familienbeziehung bleibt jedoch ungeklärt, da „von Giesendorf" nur seinen Herkunftsname bedeutet.
Von den Giesendorfer Althöfen hatte der Hof des früher erwähnten Heinrich Bruder des Ritters Cuno von Giesendorf, noch lange Bestand. Noch im Jahre 1509 werden bei einem Verkauf 2 ½ Morgen Land „gelegen hinter Heinrichs Hof zu Giesendorf" angeführt. Über den damaligen Besitzer des Hofes erfahren wir dabei nichts. Wie lange die Reuschenberger im Besitz ihres Giesendorfer Hofes blieben, ist nicht genau zu ermitteln. Er wird später unter den Besitzungen des 1727 gestorbenen Ruttger Wolff genannt.
Ruttger Wolff als neuer Besitzer
Reuschenberg selber war bereits 1668 durch Erbteilung an die von Hanxeler übergegangen, die es bis ins 18. Jahrhundert in Besitz hatten. Demnach dürfte Ruttger WoHf, einer der bedeutendsten Halfen des Erftlandes seiner Zeit, den Hof von diesen erworben haben oder dieser durch seine Frau Anna Margaretha von Wevorden genannt Droiff (Drove) aus Weisweiler an ihn gekommen sein. Die von Drove waren ein weit verzweigtes Geschlecht, das u. a. auch im benachbarten Widdendorf und Thorr je einen Hof besaß. Ruttger Wolff stammte aus einer alteingesessenen Paffendorfer Schöffenfamilie und war als zweiter Sohn des in zweiter Ehe mit Catharina Herpers verheirateten Ägidius Wolff im Jahre 1649 geboren. Sein älterer Bruder Adam Wolff pachtete am 19. Mai 1677 "mit Hilfe seiner Mutter", wie es in späteren Prozeßakten (1724-1726) heißt, von der Abtei St. Pantaleon den Hof Brockendorf. Als dieser abbrannte, zog Adam Wolff auf den Hof nach Paffendorf. Hier hatte er mit seinem Bruder Ruttger und seinem Schwager Adam Robens, Gatte der einzigen Schwester Appolonia, im Jahre 1678 vom Stift Essen dessen gesamte, in der Freiheit Paffendorf liegenden Höfe samt den Paffendorfer und Desdorfer Zehnten gepachtet. Ruttger Wolff selber wohnte auf dem Hof in Grouven. Er starb 1727 im Alter von 78 Jahren und wurde in der Angelsdorfer Pfarrkirche vor dem Muttergottesaltar begraben. Seine Frau überlebte ihn um 20 Jahre und fand ihre letzte Ruhestätte an der Seite ihres Mannes in der Angelsdorfer Kirche. Die in der Kirche angebrachte fast 2 Meter hohe Grabplatte überliefert unter dem Doppelwappen das Gedenken an den „wohledelen und fürnehmen Herrn" Ruttger Wolff zu Grouven, Angelsdorf, Roelsdorf, Gierath und Giesendorf und seine wohledle Frau. Das Wolff'sche Wappen zeigt einen springenden Wolf, das Wappen seiner Frau den rechtsspringenden Hirsch der von Drove. Die beiden Söhne des Ruttger Wolff starben im jugendlichen Alter. Von den 6 Töchtern heiratete Maria Christina den Johann Heinrich von Frentz aus Nideggen und erhielt den Hof in Angelsdorf: Anna Sibilla heiratete in der Kapelle zu Grouven Wilhelm Schmitz, Richter zu Hemmersbach und Sindorf, und erhielt den Hof zu Groven. Die jüngste Tochter Helena erhielt den Hof zu Giesendorf. Nach ihrem Tode verkauften ihre Erben diesen Hof an die Eheleute Peter Josef Kleu und Katharina Wimmer, die Vorfahren des heutigen Besitzers. Bei diesem Verkauf dürfte um 1800 auch der heutige Wohnbau des Hofes erneuert worden sein, wobei das weit ältere und bereits stark verwitterte Wappen des Ruttger Wolff und seiner Frau A. M. von Drove an der äußeren Hausfront beibehalten wurde und damit die Erinnerung an diese für den engeren Giesendorfer Raum so bedeutsame Halfenfamilie lebendig hält. Erst in jüngerer Zeit wurde schließlich das Giebel an Giebel an den Hof angrenzende ehemalige Forsthaus, ein alter Fachwerkbau, wegen Baufälligkeit niedergelegt und an seiner Stelle der jetzige Schuppen errichtet.
Alte Rechte am Bürgewald
Heute noch gehört Giesendorf zu den an den Bürgewaldungen berechtigten Dörfern, deren Ausläufer ursprünqlich bis an das Dorf heranreichten. In der ältesten bisher bekannten Aufzählung der an diesem Wald Beteili'Jten vom 18. März 1360 ist Giesendorf allerdings nicht namentlich genannt, da in dieser' nur die damaligen Kirchspiele aufgeführt sind, und Giesendorf zum "Kyrspel Eilsdorp" gehörte. Die Buschordnung vom 26. März 1500, die die zur Bürge gehörenden Dörfer namentlich aufführt, nennt dagegen auch "Gesendorp". Bei den gleichzeitig als berechtigt angegebenen „Edelmannshäusern" (Adelssitze) und Höfen erscheint Giesendorf wiederum nicht. Der damalige den Reuschenbergern gehörende Hof dürfte unter den Besitzungen der angeführten Gebrüder Wilhelm und Johann von Reuschenberg erfaßt sein. Jedoch ist das Dorf selber in der Buschordnung von 1562, die den gesamten Bürgewald in vier Quartiere teilt, wieder namentlich als dem dritten Quartier mit Elsdorf, Giesendorf, Angelsdorf, Etzweiler usw. zugehörig ausgewiesen. Dieses Elsdorfer Quartier ist die heutige Elsdorfer Bürge, an der die Giesendorfer Berechtigung innerhalb der Gemeinde Heppendorf nicht untergegangen ist.
Die Giesendorfer Kapelle
Gab es in Giesendorf ehemals eine Kapelle? Der Volksmund weiß davon zu berichten und überliefert sogar den ehemaligen Standort: An der Wiedmaar. Als vorhanden führt tatsächlich auch der „Status der Capellen der Erzdiözese Köln von 1750" unter lfd. Nr. 41 dieses Registers „Gysendorff (Elsdorff)" an. Allerdings ohne nähere Angaben,
Giesendorf gehörte seit jeher zum Kirchspiel Elsdorf, dessen Kirche Erzbischof Konrad von Köln im Jahre 1246 der Kölner Abtei St. Pantaleon inkorporierte. Abt Heinrich III. genannt von Camp, von St. Pantaleon hatte in den Jahren 1220 bis 1227 umfangreiche Ländereien in und bei Elsdorf erworben lmd daraus den heute noch bestehenden Elsdorfer Hof (jetzt Püllen) gebildet. Das Hospital des Klosters ist im 13. Jahrhundert im Besitz des gesamten Zehnten in Elsdorf und Giesendorf an Weizen, Roggen, Gerste und allen Feldfrüchten. Diese Abgabe ist 1322-24 mit 14 Malter Weizen angegeben, die Gobelinus de Gysendorp und seine Brüder aus dem Hofe zu Esch zu liefern hatten. Aber in all den so zahlreichen Urkunden der ehemaligen Kölner Benediktiner Abtei aus dem Elsdorf - Giesendorfer Raume, finden sich bis zu deren Aufhebung im Jahre 1802 keinerlei Hinweise auf eine Giesendorfer Kapelle. Namentlich ist auch in den Abgabebüchern, die alle der Abtei zuständigen Gefälle und Abgaben nebst Spezifikationen der Ländereien zu Giesendorf registrierten, keine Andeutung auf eine Kapelle zu Giesendorf vorhanden. Zwar ist als einziq möglicher Anhalt das „Smailqelucks guet zu Gysendorp mit Zubehör" das 1396 von der Abtei an Johan van Ruysschenberg verlehnt wird, genannt. Aber dieses „kleine Geläut" dürfte sich auf, die Elsdorfer Kirche beziehen.
Andererseits könnte die überlieferte Lage in der Wiedmaar, also unmittelbar bei einem späteren adeliqen Hof, der 1448 in einem Rechtsstreit der Abtei S. Pantaleon mit Conrad von Reuschenberq ausdrücklich letzterem zugesprochen wird, Anlaß zu der Vermutung geben, daß es sich um eine der üblichen Hofkapellen gehandelt haben kann. Da diese wiederum pfarrlich zur Kirche in Elsdorf gehört haben müßte, würden die Elsdorfer Kirchenbücher sie sicherlich erwähnen. Jedoch ist in den Elsdorfer Visitationsberichten von 1649-1754 keine Kapelle zu Giesendorf vermerkt. Ebenso wenig findet sich eine solche in den Jülicher Erkundigungsbüchern. Die Reuschenberqer hatten gerade in jenen Jahrhunderten besonders enge Beziehungen zu ihrer Pfarrkirche Elsdorf. In dem Elsdorfer Visitationsbericht vom 14. Februar 1560 heißt es, daß in der Elsdorfer-Kirche der St. Kathrinenaltar eine Reuschenberger Vikariestiftung war. Vor diesem wurde Hermann von Hanxeler zu Reuschenberg, Amtmann zu Bergheim (gest. 1652, Jan. 30.), begraben. Damals waren übrigens die Elsdorfer Armenrenten in Giesendorf bereits bis auf 4 Malter verloren, und die Reuschenberger übertrugen jetzt auch ihre Elsdorfer Altarstiftung von 15 ¾ Morgen für 2 Wochenmessen an ihre Hauskapelle im Turme der Burg Reuschenberg. Diese enge Bindung der Reuschenberger an ihre Elsdorfer Pfarrkirche schließt allerdings nicht aus, daß sie, solange sie noch bis um 1700 im Besitz des Giesendorfer Hofes waren, bei diesem eine der so häufigen schlichten Verehrungskapellen errichteten. Gleichwohl mag auch die Kapelle von dem nachfolgenden Besitzer des Reuschenberger Hofes in Giesendorf, die bereits zuvor ausführlicher gewürdigte Halfenfamilie Ruttger WoIff - Anna Margaretha von Droiff (Drove) gnt. von Veworden, erbaut worden sein. Diese Kapellen waren zumeist nicht mit besonderen Stiftungsgütern ausgestattet und treten aus diesem Grunde in den Urkunden allgemein nicht hervor. Wann die Kapelle bei dem Giesendorfer Hof untergegangen sein soll, bleibt ebenfalls offen. Die Akten aus der französischen Zeit, der man am ehesten das Verschwinden zumuten sollte, melden hierüber nichts. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts war sie jedenfalls bereits nicht mehr vorhanden. Am 27. Februar 1807 forderte der Unterpräfekt des damaligen französischen Arrondissements Köln von den Pastoren der Hauptkirchen des Kantons, Bergheim eine genaue Übersicht über die hierzu gehörenden Sukkursalen (Hilfspfarren) und die beibehaltenen Kapellen. Hierauf wird unter lfd. Nr. 7 – Elsdorf durch Pastor Anton Becker u. a. berichtet: „Zum Bezirk dieser Sukkuralkirche gehört das Dorf Giesendorf. – item der sog. Ohndorferhof – item Reuschenberg, ein Halbwinnerhof (= Pachthof). Bethäuser und Kapellen sind hier (= im Elsdorfer Pfarrbezirk) keine.“ Damit wird die zwar mündlich überlieferte und auch in dem eingangs erwähnten Verzeichnist der Kapellen in der Erzdiözese Köln für 1750 ausdrücklich genannte Kapelle Giesendorf nirgend weiter faßbar. Die Zeit dieser Nennung würde die angedeutete Vermutung, daß hier eine Kapelle erst um 1700 entstanden und ein Jahrhundert später wieder untergegangen sein kann, zulassen.
Übrigens wird im gleichen Jahrhundert – bei der Visitation der Elsdorfer Kirche im Jahre 1754 – festgestellt, daß damals zur Pfarre Elsdorf außer Elsdorf noch Giesendorf, Burg Reuschenberg und der Hof Ohndorf gehört. Dabei ist vermerkt, daß 5 oder 6 Häuser von Giesendorfer zur Pfarre Berrendorf qehören. Die Pfarrgrenze war also offensichtlich früher nicht genau festgelegt. Seit der Neuorganisation von 1807 gehört Giesendorf wieder ganz zur Pfarre Elsdorf. Wie eng sich die Giesendorfer mit ihrer Altpfarre Elsdorf verbunden fühlten, wird aus folgendem Einzelbeispiel ersichtlich. Am 25. Mai 1724 richtete die 1664 erneuerte Elsdorfer St. Sebastianus-Bruderschaft an den Amtmann in Bergheim die Bitte, ihr in Elsdorf 2 Tage Hand- und Spanndienst und in Giesendorf einen Tag für die Bruderschaft zu gestatten. Für Giesendorf ist das Gesuch von Heinrich Abels und dem Vorsteher zu Giesendorf, Christian Schloßmacher, unterschrieben. Die Giesendorfer fühlten sich also auch mit den kirchlichen Organisationen ihres benachbarten Kirchortes bereits vor Jahrhunderten eng verbunden.
Das h e u t i g e Giesendorf
Namentlich in den letztvergangenen 100 Jahren hat sich das Giesendorfer Dorfbild wesentlich verändert. Zwar ist die aus der Altanlage entwickelte neuzeitliche Dorfstraße noch immer die Dominante, gibt dem Dorf nach wie vor die entscheidende Form. Aber im Dorfinnern ist das Giesendorfer Fließ mit den Weihern verschwunden. Hieran erinnern höchstens noch die für dörfliche Verhältnisse auffallenden Vorgärten, namentlich im oberen und mittleren Dorfteil, hinter die hier die Gebäude noch immer in der überkommenen Bebauung zurückversetzt sind. Ebenso sind die von alters üblichen Leerflächen ehemaliger Gärten und Bungerte zwischen den Häusern verschwunden, ist aus der lockeren eine enge Bauweise entstanden. Schließlich beansprucht der Dorfausbau auch die Straßenausgänge, namentlich nach Elsdorf und Berrendorf. Verschwunden ist jedoch die hier früher an dem Wege nach Elsdorf gelegene Giesendorfer Mühle, ursprünglich eine Windmühle, die 1878 durch Brand vernichtet und an deren Stelle alsdann eine Dampfmühle gebaut wurde, die in den 20er Jahren unterging.
Diese bauliche Entwicklung spiegelt bereits äußerlich das Wachstum der Bevölkerung wieder. Aus den 1861 vorhandenen 377 Einwohnern waren bis 1910 erst 465 geworden, und auch von dann ab wächst die Bevölkerung bis 1946 in langsamern Rhythmus auf 542 Einwohner. Die erste Industrie in unmittelbarer Nachbarschaft, die 1871 errichtete Zuckerfabrik in Elsdorf, wirkte sich demnach ebenso wie die Bahnhofsnähe Elsdorfs mit den beiden Strecken Düren-Neuß (1869) und zu dem sich industriell entwickelnden Industrieband an der Erft, (Elsdorf–Bergheim = 1897) weit weniger auf die Bevölkerungsentwicklung des Dorfes als auf dessen Bevölkerungsstruktur aus. Zunächst wurden aus ansässigen Tagelöhnern, Heimgewerblern (Weber und Holzschuhmacher), Waldarbeitern und Kleinstbauern zunehmend Industriearbeiter.
Aber in den beiden letzten Jahrzehnten wurde Giesendorf als Wohnort in günstiger Verkehrslage in Nähe der Autobahnauffahrt Aachen-Köln und der Bundesstraße 55 attraktiv. Seine Bevölkerung ist nämlich von 1946 bis 1966 von 542 auf mittlerweile 802 Einwohner angewachsen. Gleichzeitiq ist das bäuerliche Element nicht zuletzt durch neuzeitliche Strukturmaßnahmen soweit gefestigt worden, daß heute insgesamt 13 Vollbauernstellen vorhanden sind. Unter diesen Betrieben ist keiner mit einer Betriebsfläche unter 10 ha. Bis 20 ha sind 8 und über 20 ha 5 Betriebe vorhanden. Von dem größten bäuerlichen Gehöft werden rd. 30 ha bewirtschaftet. So hat sich Giesendorf aus alter Anlage nicht nur ein besonders ansprechendes Dorfbild sondern gleichzeitig aus seinen altbäuerlichen Verhältnissen einen lebensfähigen Bauernstand neuer Prägung geschaffen.